Wohnraumkündigung: Ordentlich vs. außerordentlich – Mietrückstand & Nebenkosten
1. Einführung
Bei Wohnraummietverhältnissen sind zwei Kündigungsarten zu unterscheiden:
die ordentliche (fristgerechte) Kündigung und die außerordentliche (fristlose) Kündigung.
Mietrückstände sind einer der häufigsten Gründe für Kündigungen. Auch Nachforderungen aus Betriebskosten können in Ausnahmefällen zur Kündigung führen – allerdings nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen.
2. Ordentliche Kündigung des Vermieters (§ 573 BGB)
Eine ordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.
Typische Beispiele sind:
Eigenbedarf,
erhebliche Pflichtverletzungen des Mieters (z. B. wiederholte unpünktliche Zahlungen oder Störungen des Hausfriedens),
wirtschaftliche Verwertung der Immobilie, die durch das Mietverhältnis erheblich erschwert wird.
Die gesetzlichen Kündigungsfristen ergeben sich aus § 573c BGB und verlängern sich mit der Dauer des Mietverhältnisses.
Eine willkürliche Kündigung ist nicht möglich – das Interesse muss nachvollziehbar und belegbar sein.
3. Außerordentliche (fristlose) Kündigung (§ 543 BGB)
Eine außerordentliche Kündigung kann erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht.
Der häufigste Fall: erheblicher Zahlungsverzug des Mieters.
Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt ein solcher wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn:
der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Miete (oder einem erheblichen Teil davon) in Verzug ist, oder
der Mieter über mehr als zwei Termine hinweg mit einem Betrag in Verzug ist, der zwei Monatsmieten erreicht.
Eine Abmahnung ist in diesen Fällen in der Regel nicht erforderlich, da der Gesetzgeber den Zahlungsverzug selbst als schweren Vertragsverstoß ansieht.
4. Mietrückstand als Kündigungsgrund
Fristlose Kündigung
Wenn der Rückstand die oben genannten Grenzen erreicht, kann der Vermieter fristlos kündigen.
Die Kündigung wirkt dann sofort, ohne Einhaltung einer Frist.
Ordentliche Kündigung
Auch unterhalb dieser Schwellen kann ein wiederholter oder andauernder Zahlungsverzug eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.
Dies setzt voraus, dass das Verhalten des Mieters auf Dauer das Vertrauen in die Vertragstreue zerstört hat (§ 573 Abs. 1 BGB).
Wichtig: Schonfristzahlung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB)
Begleicht der Mieter den gesamten Rückstand innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage, wird die fristlose Kündigung rückwirkend unwirksam.
Die ordentliche Kündigung bleibt jedoch häufig bestehen.
Das bedeutet: Der Mieter kann die sofortige Räumung verhindern, muss aber damit rechnen, dass das Mietverhältnis nach Ablauf der ordentlichen Frist endet.
5. Nebenkostennachforderungen als Kündigungsgrund
Nebenkostennachforderungen können ebenfalls zu Mietrückständen führen.
Allerdings gelten hier besondere Maßstäbe:
Eine einmalige geringe Nachforderung berechtigt in der Regel nicht zur Kündigung.
Eine erhebliche Nachforderung, die zu einem Rückstand in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten führt, kann eine Kündigung rechtfertigen – insbesondere, wenn der Mieter trotz Fälligkeit und Mahnung nicht zahlt.
Bestehen berechtigte Einwendungen gegen die Abrechnung (z. B. formelle Fehler oder fehlerhafte Umlagen), ist eine Kündigung in der Regel nicht wirksam.
Praxistipp: Zahlung unter Vorbehalt
Bei Streit über die Nebenkostenabrechnung sollten Mieter den geforderten Betrag zunächst unter Vorbehalt zahlen, um eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs zu vermeiden.
Der Vorbehalt kann schriftlich erklärt werden (z. B. auf der Überweisung oder in einem separaten Schreiben).
So bleibt der Einwand gegen die Abrechnung gewahrt, ohne das Risiko einer Kündigung einzugehen.
Hinweis zu Mietminderungen
Auch bei Mietminderungen ist Vorsicht geboten:
Ist die Minderungsquote oder der Mangel streitig, sollte der Mieter ebenfalls zunächst unter Vorbehalt zahlen.
Eine unberechtigte oder zu hohe Mietminderung kann sonst als Zahlungsverzug gewertet werden und eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Nachträglich kann die Rückforderung zu viel gezahlter Beträge rechtlich geprüft werden.
6. Handlungsempfehlungen
Für Vermieter
Zahlungsverhalten dokumentieren: Zahlungsrückstände und Mahnungen genau festhalten.
Kündigung prüfen: Vor Ausspruch einer Kündigung immer prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Kombinierte Kündigung: Häufig ist es sinnvoll, eine fristlose und ordentliche Kündigung auszusprechen.
Beratung einholen: Eine rechtliche Prüfung vermeidet Formfehler und spätere Prozessrisiken.
Für Mieter
Rückstände sofort prüfen: Bei Mietrückständen schnell handeln und Zahlung veranlassen.
Nebenkosten oder Minderungen: Bei Streit über Nebenkosten oder Mietminderung unter Vorbehalt zahlen, um eine Kündigung zu vermeiden.
Rechtliche Hilfe suchen: Frühzeitige anwaltliche Beratung kann Kündigungen oft abwenden oder deren Folgen mindern.
7. Häufige Fragen (FAQ)
Wann darf der Vermieter fristlos kündigen?
Wenn der Mieter mit mindestens zwei Monatsmieten unberechtigt in Rückstand ist oder in zwei aufeinanderfolgenden Monaten einen erheblichen Teil der Miete nicht zahlt.
Wird die Kündigung durch Nachzahlung automatisch unwirksam?
Nur die fristlose Kündigung kann durch vollständige Zahlung innerhalb der Schonfrist unwirksam werden.
Die ordentliche Kündigung bleibt in der Regel bestehen.
Können Nebenkostenrückstände zur Kündigung führen?
Ja, wenn die Nachforderung erheblich ist und der Mieter trotz Fälligkeit nicht zahlt.
Bei Streit über die Abrechnung sollte aber unter Vorbehalt gezahlt werden, um einer Kündigung vorzubeugen.
Was gilt bei Mietminderungen?
Ist unklar, ob und in welcher Höhe eine Mietminderung berechtigt ist, sollte ebenfalls unter Vorbehalt gezahlt werden.
So kann der Minderungsanspruch später geprüft werden, ohne das Risiko einer fristlosen Kündigung einzugehen.
8. Fazit
Die rechtliche Unterscheidung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung ist entscheidend für Vermieter und Mieter.
Mietrückstände, verspätete Zahlungen, Nebenkostennachforderungen und auch unberechtigte Mietminderungen können schwerwiegende Folgen haben.
Um Kündigungen zu vermeiden, ist es oft sinnvoll, streitige Beträge zunächst unter Vorbehalt zu zahlen und anschließend rechtlich prüfen zu lassen.
Da die Bewertung stets vom Einzelfall abhängt, empfiehlt sich eine frühzeitige anwaltliche Prüfung der Kündigung – sowohl auf Vermieter- als auch auf Mieterseite.
9. Ihr Ansprechpartner
Reitner Kinscher – Rechtsanwälte Fachanwälte und Notar in Essen-Kettwig
Peer Reitner, Rechtsanwalt Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Kai Kinscher, Notar
Hauptstraße 11 • 45219 Essen-Kettwig
Telefon: 02054 8707990
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