Urteile - REITNER KINSCHER Rechtsanwälte Fachanwälte Notar - Essen Kettwig

OLG Brandenburg: Urteil vom 15. September 2022 - 12 U 37/21

Rechtsgebiet: Baurecht

Verfahrensgang:
LG Frankfurt/Oder, 25.02.2021 - 31 O 61/17

Leitsätze

1. Bei freier Kündigung durch den Auftraggeber hat der Auftragnehmer seinen Anspruch auf die Vergütung für die nicht erbrachte Leistung u. a. unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen darzulegen
2. Der Auftragnehmer muss die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen ggfs. nachträglich zusammenzustellen und dabei zu den ersparten Aufwendungen konkret vortragen.
3. Erspart werden gegebenenfalls Material- und Fahrtkosten sowie die Kosten für den Einsatz von Arbeitskräften. Allgemeine Geschäftskosten sowie alle Kosten im Betrieb des Auftragnehmers, die unabhängig vom gekündigten Bauvertrag ohnehin entstanden wären, fallen nicht unter die ersparten Kosten.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.02.2021 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 31 O 61/17, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.812,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 32 % und die Beklagte zu 68 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.855,01 Euro festgesetzt.

Tatbestand

I.

Die Klägerin macht Ansprüche nach einem gekündigten Werkvertrag geltend.

Am 28.04.2014 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Lieferung und Montage von 30 Edelstahlschornsteinen zum Preis von 64.230 Euro/nt. Dem Vertrag lag ein Angebot der Klägerin über solche der Fa. "###" zum Stückpreis von 2.253,63 Euro/nt. zugrunde, von dem ein Nachlass von 5 % gewährt wurde. Für die fristgerechte Zahlung hat die Klägerin ein Skonto von 2 % eingeräumt.

Die Klägerin stellte 30 Dachdurchführungen bereit, die von einem Drittunternehmen eingebaut wurden und legte hierzu im November 2014 eine Abschlagsrechnung, auf die die Beklagte 5.400 Euro abzgl. 2 % Skonto = 5.292 Euro zahlte.

Die Beklagte kündigte den Vertrag. Die Klägerin legte hierauf am 22.12.2017 Rechnung über die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen mit einer offenen Restforderung von 30.703,87 Euro, der Klageforderung.

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Die Klägerin hat vorgetragen, an ersparten Aufwendungen seien von der Vergütung von 64.230 Euro in Abzug zu bringen:

- Materialkosten gemäß Angebot der Fa. "###" vom 04.02.2014 von 28.534,05 Euro (31.433,40 Euro abzgl. bereits erbrachter Positionen 24 und 26 a 1.689,12 Euro und 1.210,23 Euro),

- Lohnkosten 4.477,20 Euro (180 Std. Montagekosten + 15 Std. Fahrtzeit a 22,96 Euro/br./Std.),

- Fahrtkosten 300 Euro (5 Fahrten a 200 km a 0,30 Euro/km).

Auf den danach zu ermittelnden Gewinn von 30.918,75 Euro seien 5.053,86 Euro für die Lieferung der Dachdurchführungen einschließlich entgangenem Gewinn für den Einbau hinzuzurechnen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Kalkulation sei illusorisch. Denn der kalkulierte Gewinn von über 70 % sei - wie von ihr eingeholte Angebote renommierter Firmen zeigten - nicht realisierbar. Zudem seien die in Ansatz gebrachten Stundenlöhne und Arbeitszeiten zu gering bemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - die Beklagte zur Zahlung von 27.855,21 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ihre ersparten Aufwendungen schlüssig vorgetragen und die Beklagte den Nachweis höherer ersparter Kosten nicht erbracht. Die ersparten Lohnkosten könne es im Wege der Schätzung ermitteln. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 25.02.2021 zugestellte Urteil mit am 08.03.2021 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 26.05.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Sie führt aus, das Landgericht folge dem Sachverständigen, der sich letztlich ohne weitere Begründung auf die Angaben der Klägerin gestützt habe. Mit den von der Beklagten vorgelegten Angeboten anderer Firmen habe er sich nicht auseinandergesetzt. Es sei weder nachzuvollziehen noch entspreche es der Realität, dass Gewinne über 50 % erzielt bzw. entsprechende Rabatte durch Firmen gewährt würden. Hinsichtlich der Lohnkosten fehle eine Kompetenz des Sachverständigen, wie er selbst eingeräumt habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit Mindestlöhnen kalkuliert habe. Den Vortrag zu den Transportkosten innerhalb der Baustelle habe das Landgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25.02.2021, Az. 31 O 61/17, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt weiter aus, für den Aufbau der Schornsteine kämen eingespielte Teams zum Einsatz, bei denen für den Aufbau jedes Schornsteins - auch nach dem Sachverständigengutachten - 3 Stunden zu veranschlagen seien. Die angefochtene Entscheidung, die 4 Stunden zugrunde lege, sei daher eher zu Ungunsten der Klägerin falsch. Auch der Stundenansatz sei zutreffend, da die Arbeitnehmer i.d.R. nur unproduktiv eingesetzt würden.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn aus §§ 631 Abs. 1, 649 a.F. BGB, §§ 2, 8 Abs. 1 Nr. 2, 14 VOB/B.

1. Die Parteien haben am 28.04.2014 einen Vertrag über die Lieferung und Montage von 30 Edelstahlschornsteinen zum Preis von 64.230 Euro/nt. geschlossen. Der Vertrag wurde ohne wichtigen Grund durch die Beklagte gekündigt und von der Klägerin schlussabgerechnet. An der Prüffähigkeit der Schlussrechnung zeigt die Beklagte keine Zweifel auf und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin kann daher den Teil der erbrachten Leistungen, sowie die Vergütung für den nicht erbrachten Teil abzüglich ersparter Aufwendungen gegen die Beklagte geltend machen.

2. Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die gelieferten Dachdurchführungen im Umfang von 5.053,86 Euro/nt. Die Lieferung ist unstreitig. Auch der Berechnung tritt die Beklagte nicht entgegen. Soweit die Gemeinkosten und der kalkulierte Gewinn im Streit stehen, beziehen sich die Ausführungen der Beklagten zum einen auf die ersparten Aufwendungen. Zum anderen bedarf es deshalb hier keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine nicht auskömmliche Kalkulation zugrunde liegt und aus diesem Grund eine ggf. vorzunehmende geringfügige Kürzung zugleich zu einer Erhöhung des Vergütungsanteils im Übrigen führt, wie nachfolgend ausgeführt wird.

3. Die Klägerin hat ihre ersparten Aufwendungen schlüssig darzulegen; die Darlegungs- und Beweislast für höhere ersparte Aufwendungen liegt bei der Beklagten.

Zunächst ist der Auftragnehmer in der Darlegungslast hinsichtlich der dem Angebot zugrundeliegenden Kalkulation. Hat er den Preis nur "im Kopf kalkuliert", so hat er die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen und dabei die ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen. Andernfalls wäre es dem für höhere Ersparnisse darlegungsbelasteten, aber über die Einzelheiten des Betriebes des Unternehmers in der Regel nicht unterrichteten Besteller nicht möglich, hierzu sachgerecht Stellung zu nehmen (BGH, Urteil vom 07. November 1996 - VII ZR 82/95 -). Zugleich sind Ersparnisse und gegebenenfalls auch anderweitiger Erwerb auf den konkreten Vertrag zu beziehen. Der Unternehmer muss sich also nicht gefallen lassen, dass die Abrechnung ihm Vorteile aus dem geschlossenen Vertrag nimmt. Andererseits darf er keinen Vorteil daraus ziehen, dass ein für ihn ungünstiger Vertrag gekündigt worden ist. Das gilt beim Einheitspreisvertrag auch für die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses, da ungünstige oder günstige Positionen nicht untereinander verrechenbar sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94 -). Die im Gesetz vorgesehene Pauschalierung erleichtert nicht die Beweislast, sondern lediglich die sekundäre Darlegungslast des Unternehmers (BGH, Urteil vom 05. Mai 2011 - VII ZR 181/10 -, Rn. 28 - 29 Urteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94 -; zum Ganzen auch BeckOGK/Reiter, 01.04.2021, BGB § 648 Rn. 139, 144, 146).

Erspart werden deshalb Material- und Fahrtkosten wie auch ggf. Kosten für den Einsatz von Arbeitskräften. Allgemeine Geschäftskosten sowie alle Kosten im Betrieb des Auftragnehmers, die unabhängig vom gekündigten Bauvertrag ohnehin entstanden wären, fallen jedoch nicht unter die ersparten Kosten. Denn diese werden unabhängig von der Kündigung für das Geschäftsjahr kalkuliert und sind den einzelnen Aufträgen zuzuordnen, sei es umsatzbezogen, sei es für eine bestimmte Bauzeit. Sie können somit letztlich nicht erspart, sondern allenfalls durch anderweitigen Erwerb gedeckt werden (OLG Düsseldorf Urt. v. 23.07.2015 - 5 U 53/14, BeckRS 2015, 15441 Rn. 65, beck-online; BeckOK VOB/B/Brüninghaus/Kleineke, 44. Ed. 31.07.2021, VOB/B § 8 Abs. 1 Rn. 43).

Die Beweislast dafür, dass der Unternehmer höhere Aufwendungen erspart hat als er behauptet, trägt der Besteller nach § 649 Satz 2 BGB a.F. Hat der Unternehmer eine den Anforderungen entsprechende Abrechnung vorgelegt, ist es deshalb Sache des Bestellers darzulegen und zu beweisen, dass höhere Ersparnisse oder mehr anderweitiger Erwerb erzielt wurden, als der Unternehmer sich anrechnen lässt (BGH, Urteil vom 05. Mai 2011, a.a.O.).

4. Diesen Anforderungen wird die Klägerin gerecht. Sie trägt alle Aufwendungen, getrennt nach Material-, Lohn-, Fahrt- und Gemeinkosten vor, die sie nach ihrem Vortrag der Kalkulation zugrunde gelegt hat. Dabei beruft sie sich bzgl. der Materialkosten auf ein Lieferangebot der Fa. "###", das ihr konkret auf den Vertrag bezogen unterbreitet worden sein soll. Höhere Anforderungen an den Vortrag sind nicht zu stellen. Vielmehr obliegt es der Beklagten, die inhaltliche Richtigkeit der Aufstellung bezogen auf den konkreten Vertrag zu widerlegen. Danach ergeben sich nachfolgende ersparte Aufwendungen:

a) Ein Skonto ist nicht in Abzug zu bringen. Skonto bedeutet einen prozentualen Abzug vom Rechnungsbetrag, der bei sofortiger oder kurzfristiger Zahlung gewährt wird. Ob das Skonto auch für den in der Schlussrechnung der Klägerin enthaltenen Teil der Vergütung der nicht erbrachten Leistung gilt, liegt nahe, bleibt jedoch unerheblich, da keine Zahlung innerhalb der Frist erfolgte (BGH, Urteil vom 22. 9. 2005 - VII ZR 63/04, NZBau 2005, 683, beck-online).

b) Der Nachweis höherer als von der Klägerin angeführter Aufwendungen ist der Beklagten bezogen auf die ersparten Materialkosten nicht gelungen. Die Klägerin rechnet hier nicht pauschal nach üblichen Sätzen ab, sondern konkret bezogen auf ein der Kalkulation zugrunde gelegtes Angebot der Fa. "###". Es ist deshalb unbehelflich, wenn die Beklagte durch Sachverständigengutachten beweisen möchte, dass andere Firmen solche Rabatte nicht gewähren und diese marktunüblich sind. Zwar mögen Rabatte von 68 % zzgl. Rechnungsrabatt von 15 % (insgesamt 78,2 %) sehr ungewöhnlich erscheinen und mit den von der Beklagten vorgelegten Angeboten von Drittfirmen nicht in Einklang zu bringen sein. Allerdings zeigt der Vergleich mit den vorgelegten Angeboten anderer Marktteilnehmer lediglich, dass sich der von der Klägerin angebotene Vertragspreis im Rahmen der noch üblichen Entgelte bewegt. Welche Gewinnmargen die anderen Firmen ihrer Kalkulation zugrunde legen, erschließt sich daraus nicht. Hinzu treten die insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, nach denen es sich bei dem Angebot der Fa. "###" um ein Herstellerangebot handele, während die von der Beklagten angefragten Firmen das Material von Drittfirmen beziehen und deshalb eine andere Marge zugrunde zu legen sei.

Zudem hat die Abrechnung vertragsbezogen zu erfolgen. Wird der Klägerin auch ein ungewöhnlicher Rabatt eingeräumt, kann sie die Vorteile auch bei einem gekündigten Vertrag abschöpfen. Es läge an der Beklagten nachzuweisen, dass das konkrete Angebot als bloßes Scheinangebot betrachtet werden müsste. Dafür fehlen, außer der hohen Rabattierung, jegliche Anhaltspunkte. Dass das angebotene Material nicht dem Vertrag entspricht, ist ebenfalls nur unerheblich vorgetragen. Denn bereits dem Angebot der Klägerin an die Beklagte lag das Produkt "###-Vision" zugrunde, wie es sich letztlich auch im Angebot der Fa. "###" wiederfindet. Dass es sich hier nicht um die geschuldeten Schornsteine und nicht um Edelstahl handelt, behauptet die Beklagte ohne Beweisantritt erkennbar ins Blaue hinein. Es besteht daher vor diesem Hintergrund auch kein Anlass, den Sachverständigen zu dem Material zu befragen, den allein von der Klägerin angebotenem Zeugenbeweis nachzugehen oder ein weiteres Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Nach der Abrechnung der Klägerin sind daher Materialkosten von insgesamt 31.433,40 Euro/nt in die Kalkulation eingeflossen. Davon sind als erbrachte Leistungen die Positionen 24 und 26 in Abzug zu bringen mit 1.689,12 Euro und 1.210,23 Euro, insgesamt 2.899,35 Euro. Der Anteil der ersparten Materialkosten beträgt danach 28.534,05 Euro.

c) Ferner sind als ersparte Aufwendung Fahrtkosten im Umfang von 570 Euro anzusetzen.

Der Senat geht mit dem Landgericht und im Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ### von einem realistischen Ansatz von 4 Zeitstunden je Schornstein für ein Team bestehend aus 2 Mitarbeitern aus. Der Sachverständige gibt unter Hinweis auf seine langjährigen Erfahrungen einen Rahmen von 3 bis 4 Stunden an. Er hat in Übereinstimmung mit dem Geschäftsführer der Klägerin in der persönlichen Anhörung vor dem Senat ausgeführt, die Tätigkeit bestehe im Wesentlichen aus dem Zusammenstecken der Rohre und dem Verschrauben der Schellenhalterungen. Ein eingespieltes Team könne das, so der Sachverständige, in 3 Stunden schaffen. Die Klägerin behauptet eine solche Qualifikation, ohne dies jedoch näher darzulegen. Andererseits waren vorliegend die Bauteile jedoch auch von einem Zentrallager zum jeweiligen Haus zu bringen. Es ist deshalb nicht von einem besonders schnellen, sondern eher von einem durchschnittlichen Einbau, und deshalb von einem Zeitbedarf von 4 Stunden je Schornstein und Team auszugehen. Erforderlich sind daher je Team 15 Schornsteine a 4 Stunden = 60 Stunden/Team. Den Teams stehen aufgrund der unstreitigen, auf die Arbeitszeit anzurechnenden Fahrzeit von 1,5 Stunden/AT nur 6,5 Arbeitsstunden je Tag zur Verfügung. Benötigt werden daher 60 Std./6,5 Std. = 9,23 Arbeitstage/Team. Mithin kann davon ausgegangen werden, dass gemäß Kalkulation ein Team 9 Fahrten und ein Team 10 Fahrten unternehmen muss. Damit sind kalkulatorisch Fahrtkosten für 9 Fahrten a 0,30 Euro/km a 100 km = 570 Euro an ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen.

d) Die Klägerin legt ihrer Abrechnung ersparte Lohnkosten zugrunde. Diese sind deshalb auch durch den Senat als ersparte Aufwendung zu berücksichtigen (vgl. zu den Lohnkosten BeckOK VOB/B/Brüninghaus/Kleineke, 44. Ed. 31.07.2021, VOB/B § 8 Abs. 1 Rn. 37; OLG Düsseldorf Urt. v. 23.07.2015 - 5 U 53/14, BeckRS 2015, 15441 Rn. 77, beck-online).

aa) Bei den Lohnkosten ist von der regulären Arbeitszeit von 8 Stunden/Tag auszugehen. Dass eine Mehrarbeit in der Kalkulation berücksichtigt worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insgesamt stehen mithin 2 AN x 10 Tage x 6,5 Stunden = 130 Stunden und 2 AN x 9 Tage x 6,5 Std. = 117 Stunden, mithin insgesamt 247 reine Arbeitsstunden zur Verfügung. Zwar werden - wie ausgeführt - für 30 Schornsteine x 2 AN x 4 Stunden nur 240 Stunden benötigt. Da der Senat davon ausgeht, dass die Klägerin mit vollen Arbeitstagen kalkuliert hat und es sich ohnehin nur um eine Schätzung handelt, ist von einer kalkulierten Arbeitszeit von 247 Stunden zzgl. Fahrtzeit von 19 Fahrten x 2 AN x 1,5 Std. = 57 Std., mithin insgesamt 304 Std. auszugehen.

Ein weitergehender Arbeitszeitanteil für die Ausführung der Dachdurchdringungen ist nicht zu berücksichtigen. Der Senat hat hierzu den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört. Dieser hat nachvollziehbar ausgeführt, dass bei Reetdächern wie vorliegend die Dachdurchführungen bereits im Zusammenhang mit der Dacheindeckung eingesetzt werden müssten. Das Reet sei dann an die Durchführung anzulegen. Ein nachträgliches Einschneiden sei nicht möglich. Die Beklagte ist dem Vortrag nicht mehr entgegen getreten. Mithin können - der vorliegende Vertragstext gibt entgegenstehendes nicht eindeutig her - diese Arbeiten nicht dem vertraglichen Soll der Klägerin zugeordnet und damit auch nicht als ersparter Aufwand berücksichtigt werden.

bb) Bei der Berechnung der ersparten Lohnkosten setzt der Senat im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO einen Stundensatz von 29,32 Euro an.

Bei der Ermittlung der ersparten Aufwendungen, mithin auch bei den hier streitigen ersparten Lohnkosten wird durch § 287 ZPO die Möglichkeit eröffnet, diese Kostenpositionen zu schätzen (BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juli 2006 - VII ZR 68/05 -; BGH, Versäumnisurteil vom 13. Mai 2004 - VII ZR 424/02 -; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 50/04 -). Hierfür bietet die vorliegende Schlussrechnung der Klägerin aber auch das vorliegende Sachverständigengutachten zumindest eine ausreichende Schätzgrundlage.

Die Klägerin geht in ihrer Berechnung von einem kalkulierten Brutto-Stundenlohn von 16,47 Euro aus. Der Sachverständige G. sieht diese Angabe jedenfalls im Ausgangspunkt als plausibel an. Der Ansatz lässt sich auch durch die als Anlage K3 vorgelegten Stundenlohnabrechnungen verifizieren und bildet deshalb eine tragfähige Grundlage für die vorzunehmende Schätzung. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die der Senat mit Blick auf die tatsächlich durchzuführenden Arbeiten als durchaus plausibel betrachtet, ist für die Arbeiten keine besondere Qualifikation erforderlich, so dass deshalb ein Lohnniveau im mittleren bis unteren Segment angesetzt werden kann. Der Ansatz eines Mittellohnes des Unternehmens kann hingegen nicht gefordert werden. Denn es ist Sache des Unternehmers, mit welchen Arbeitskräften er kalkuliert.

Die Klägerin lässt sich im Weiteren einen durch die vorgelegten Stundenzettel nachvollziehbar dargelegten Faktor 1,22 für den Arbeitgeberanteil an den Sozialaufwendungen und darüber hinaus für bereinigte Urlaubstage anrechnen und ermittelt so einen ersparten Stundenlohn von 22,96 Euro. Die hier vorgenommenen Zuschläge von rd. 39 % entsprechen in etwa den von der Beklagten vorgelegten Übersicht über die "Grundlagen der Preisermittlung" zu den Sozialleistungen (Zeilen 56 bis 59 und den bereinigten Urlaubstagen Zeilen 50, 71). Nicht berücksichtigt sind jedoch kalkulatorische Feier- und Krankheitstage ebenso, wie der Sozialkassenbeitrag, eine Winterbauumlage sowie Beiträge für die Berufsgenossenschaft und Unfallversicherung. Diese Ausfalltage/Beiträge werden in der v.g. Übersicht mit insgesamt weiteren 39,64 % bemessen. Dass die Klägerin ein dreizehntes Monatseinkommen zahlt, ergibt sich aus dem Parteivorbringen und den vorgelegten Lohnbescheinigungen nicht. Unter Berücksichtigung der Umrechnung gemäß Zeile 61 der Übersicht ergibt sich eine Gesamtzulage auf den Lohn von rd. 75 % zzgl. lohnbezogene Nebenkosten für z.B. Haftpflichtversicherung von rd. 3 %, mithin insgesamt 78 %. Danach ergeben sich lohngebundene Kosten von 16,47 Euro * Faktor 1,78 = 29,32 Euro/Std.

Bei einem Ansatz von 304 Stunden berechnen sich ersparte Aufwendungen von 8.913,28 Euro.

cc) Wie bereits unter 3. ausgeführt, sind Gemeinkosten nicht als ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen, denn sie werden unabhängig von der Kündigung für das Geschäftsjahr kalkuliert und sind den einzelnen Aufträgen zuzuordnen, sei es umsatzbezogen, sei es für eine bestimmte Bauzeit. Sie können somit letztlich nicht erspart, sondern allenfalls durch anderweitigen Erwerb gedeckt werden (OLG Düsseldorf Urt. v. 23.7.2015 - 5 U 53/14, BeckRS 2015, 15441 Rn. 65, beck-online; BeckOK VOB/B/Brüninghaus/Kleineke, 44. Ed. 31.7.2021, VOB/B § 8 Abs. 1 Rn. 43). Dass hier ein anderweitiger Erwerb im Raum steht, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

5. Danach ergeben sich folgende Vergütungsansprüche der Klägerin:

Als erbrachte Leistungen sind 5.053,86 Euro zu berücksichtigen.

Von dem Vergütungsanteil für die nicht erbrachten Leistungen von 59.176,14 Euro (vereinbarter Werklohn 64.230,00 Euro - erbrachte Leistung 5.053,86 Euro) sind als erspart abzuziehen:

ersparte Materialaufwendungen: : 28.534,05 Euro

ersparte Fahrtkosten: 570,00 Euro

ersparte Lohnkosten: 8.913,28 Euro

Zwischensumme: 38.017,33 Euro

Summe Vergütung nicht erbrachte Leistungen: 21.158,81 Euro

Damit ergibt sich ein Gesamtvergütungsanspruch von 5.053,86 Euro / 21.158,81 Euro

Vergütungsanspruch: 26.212,67 Euro

abzgl. gezahlter incl. 2 % Skonto: 5.400,00 Euro

noch offener Vergütungsanspruch: 20.812,67 Euro.

6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

7. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

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Peer Reitner

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

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