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BGH: Urteil vom 20. Mai 2022 - V ZR 199/21

Rechtsgebiete: BaurechtMietrecht

Verfahrensgang:
LG Rostock, Entscheidung vom 29.11.2019 - 3 O 321/19 (3)
OLG Rostock, Entscheidung vom 16.09.2021 - 3 U 104/19

Leitsätze

BGB § 919 Abs. 1
Die in § 919 Abs. 1 BGB geregelte Mitwirkungspflicht des Nachbarn bei der Abmarkung setzt voraus, dass der Grenzverlauf festgestellt ist.

BGB § 242 D; GeoVermG M-V § 25 Abs. 1 Satz 3
Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf Duldung einer für die Grenzfeststellung erforderlichen Vermessung in der Wohnung des Nachbarn ergeben; der Umstand, dass Wohnungen für die amtliche Vermessung nach den Bestimmungen des einschlägigen Landesvermessungsgesetzes nur mit Einwilligung des Wohnungsinhabers betreten werden dürfen, schließt dies nicht aus.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock - 3. Zivilsenat - vom 16. September 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts Rostock - 3. Zivilkammer - vom 29. November 2019 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender, in Mecklenburg-Vorpommern gelegener Grundstücke, die mit Reihenhäusern bebaut sind. Der Kläger stellte einen Bauantrag für die Errichtung eines Gebäudes an der Grundstücksgrenze. Das Bauamt verlangt hierfür die Erstellung eines amtlichen Lageplans. Einen solchen gibt es bislang nicht. Der unklare Verlauf der nicht abgemarkten gemeinsamen Grundstücksgrenze ist durch Vermessung feststellbar. Der Kläger stellte einen Antrag auf Grenzfeststellung nach dem Gesetz über das amtliche Geoinformations- und Vermessungswesen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Geoinformations- und Vermessungsgesetz - GeoVermG M-V) bei einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur. Für die Feststellung der Grenzpunkte bedarf es einer Messung der Wand im Haus der Beklagten, wofür deren Wohnung durch den Vermessungsingenieur kurzzeitig betreten werden muss. Die Beklagte verweigert jedoch den Zutritt in ihre Wohnung.

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - die Verurteilung der Beklagten beantragt, dem von ihm beauftragten Vermessungsingenieur Zutritt zu ihrer Wohnung zum Zwecke der für die Grenzfeststellung nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Arbeiten zu gewähren. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Zutritts zu der Wohnung der Beklagten zu. Eine Verpflichtung zur Zutrittsgewährung folge insbesondere nicht aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Zwar werde der Kläger ohne die Grenzfeststellung nicht in der Lage sein, einen ordnungsgemäßen Bauantrag zu stellen. Dem stehe aber das höher zu bewertende Interesse der Beklagten an der Unverletzlichkeit ihrer Wohnung entgegen. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis könne zwar im Einzelfall das Betreten des Nachbargrundstücks erlauben, ein derartiges Recht erstrecke sich aber nicht auf ein dort befindliches Gebäude. Eine Regelung zum Hammerschlags- und Leiterrecht, die dem Nachbarn die Befugnis zum Betreten von Gebäuden eröffne, existiere in Mecklenburg-Vorpommern nicht; ohne eine derartige Sondervorschrift könne das Betreten der Wohnung der Beklagten zu Vermessungsarbeiten nicht erlaubt werden. Im Übrigen stehe einem Anspruch auf Zutrittsgewährung, selbst wenn man auf § 919 BGB abstellte, § 25 Abs. 1 Satz 3 GeoVermG M-V entgegen. Danach setze das Betreten einer Wohnung zum Zwecke der Vermessung die Einwilligung des Wohnungsinhabers voraus.

II.

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Die Revision hat Erfolg. Zu entscheiden ist durch Versäumnisurteil. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82 ff.).

Der Kläger verfolgt mit der Klage das Ziel, die Beklagte zur Duldung der Durchführung des von ihm beantragten öffentlich-rechtlichen Grenzfeststellungsverfahren zu verpflichten. Sie soll gegenüber dem Vermessungsingenieur die nach § 25 Abs. 1 Satz 3 GeoVermG M-V für das Betreten der Wohnung erforderliche Einwilligung erteilen und darüber hinaus die Durchführung der Messung ermöglichen, indem sie den Zutritt auch tatsächlich gewährt. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen derartigen Anspruch des Klägers.

1. Im Ergebnis zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass sich der Anspruch nicht aus § 919 Abs. 1 BGB ergibt. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangen, dass dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt worden oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt. Gegenstand des Abmarkungsverfahrens ist nicht die Ermittlung der Grenze, sondern allein deren Sicherung durch Kennzeichnung (vgl. KG, DFG 1937, 188; MüKoBGB/Brückner, 8. Aufl., § 919 Rn. 2). Die in § 919 Abs. 1 BGB geregelte Mitwirkungspflicht des Nachbarn bei der Abmarkung setzt daher voraus, dass der Grenzverlauf festgestellt ist (vgl. BayObLG, RdL 1962, 243; OLG Celle, NJW 1956, 632, 633; KG, DFG 1937, 188; Staudinger/Roth, BGB [2020], § 919 Rn. 7 mwN; MüKoBGB/Brückner, 8. Aufl., § 919 Rn. 2 mwN). So liegt es hier aber nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Grenzverlauf unklar.

2. Auch § 920 BGB kann den geltend gemachten Anspruch nicht begründen. Diese Vorschrift ermöglicht dann, wenn der Grenzverlauf nicht festgestellt werden kann (Grenzverwirrung), eine richterliche Abgrenzung der Grundstücke (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 1964 - V ZR 83/64, NJW 1965, 37, 38; vgl. auch Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662 Rn. 16). Nach den zugrunde zu legenden Feststellungen ist die Grenze hier aber feststellbar. Ein Anspruch auf Duldung des Zutritts ergibt sich aus dieser Regelung ohnehin nicht.

3. Anders als das Berufungsgericht meint, kann sich jedoch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf Duldung einer für die Grenzfeststellung erforderlichen Vermessung in der Wohnung des Nachbarn ergeben; der Umstand, dass Wohnungen für die amtliche Vermessung nach den Bestimmungen des einschlägigen Landesvermessungsgesetzes nur mit Einwilligung des Wohnungsinhabers betreten werden dürfen, schließt dies nicht aus. Dem Kläger steht ein derartiger Anspruch gegen die Beklagte zu.

a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfasst (st. Rspr. vgl. Senat, Urteil vom 13. Juli 2018 - V ZR 308/17, NJW-RR 2019, 78 Rn. 11 mwN; vgl. auch Urteil vom 20. September 2019 - V ZR 218/18, BGHZ 223, 155 Rn. 21 mwN). Der Gedanke von Treu und Glauben begründet im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel aber keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nachbarn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten. Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenn dies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 6 mit umfangreichen Nachweisen; vgl. auch Senat, Urteil vom 13. Juli 2018 - V ZR 308/17, NJW-RR 2019, 78 Rn. 11 mwN; Urteil vom 20. September 2019 - V ZR 218/18, BGHZ 223, 155 Rn. 21 mwN). Insbesondere erlauben es die Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nicht, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 12. November 2021 - V ZR 115/20, NZM 2022, 149 Rn. 21 mwN).

b) Ob die Voraussetzungen, unter denen sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ein Anspruch auf Duldung der Durchführung einer Vermessung in der Wohnung des Nachbarn ergeben kann, im Einzelfall vorliegen, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 8). Die Würdigung des Berufungsgerichts ist in diesem Rahmen aber zu beanstanden.

aa) Rechtsfehlerhaft ist seine Ansicht, ein Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis sei bereits wegen des Einwilligungserfordernisses des § 25 Abs. 1 Satz 3 GeoVermG M-V zu verneinen. Diese Vorschrift sieht vor, dass Personen, die Aufgaben nach dem Geoinformations- und Vermessungsgesetz wahrnehmen, mithin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GeoVermG M-V auch ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, Wohnungen nur mit Einwilligung des Wohnungsinhabers betreten dürfen. Die Regelung betrifft damit das Verhältnis des Bürgers zu der Behörde, die die Vermessung gemäß § 1 Abs. 1 GeoVermG M-V als amtliche Aufgabe durchführt (vgl. hierzu allgemein auch BGH, Urteil vom 7. September 2017 - III ZR 618/16, BGHZ 215, 344 Rn. 10 ff.). Ob ein privatrechtlicher Anspruch auf eine derartige Einwilligung des Nachbarn bestehen kann, ist gerade die Frage des Rechtsstreits.

bb) Anders, als das Berufungsgericht meint, kann auch nicht aus einer fehlenden Regelung zum Hammerschlags- und Leiterrecht in Mecklenburg-Vorpommern abgeleitet werden, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehen kann. Die hier vorliegende Konstellation betrifft von vornherein nicht das Hammerschlags- und Leiterrecht, das sich auf formell und materiell rechtmäßige Bauten oder Bauvorhaben bezieht (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 147/10, NJW 2011, 1069 Rn. 28; vgl. auch Dehner, Nachbarrecht [September 2013], B § 28 I 2 c; Saller in Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., Teil 4 Rn. 10; Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, vor Art. 43 BayAGBGB Rn. 15; OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 3883 [zu § 24 NachbG NRW]). Vielmehr geht es um die Grenzfeststellung, die der Erteilung einer Baugenehmigung vorgelagert ist.

cc) Rechtsfehlerhaft ist darüber hinaus die Annahme, dass der Beklagten eine selbstständige Verpflichtung auferlegt werden soll, von ihr mithin ein positives Handeln verlangt wird. Dies ist bei der vorzunehmenden wertenden Betrachtung nicht der Fall. Vielmehr liegt der Schwerpunkt des mit der Klage verlangten Verhaltens in der Duldung des Zutritts und der Vermessungsarbeiten. Die dafür erforderliche Einlassgewährung tritt insoweit wertungsmäßig zurück und wäre - wie die Duldung - nach § 890 ZPO zu vollstrecken (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rn. 17).

dd) Zudem hat das Berufungsgericht nicht gesehen, dass nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte ein objektives Interesse an der Grenzfeststellung hat. Die Feststellung einer gemeinsamen Grenze liegt im objektiven beiderseitigen Interesse der Grundstücksnachbarn. Erst durch eine Grenzfeststellung besteht Klarheit über die Eigentumsverhältnisse, die nicht nur bei einem Verkauf der Grundstücke notwendig ist, sondern auch entscheidende Bedeutung bei der Ermittlung der den jeweiligen Eigentümern zustehenden Befugnisse hat. Dass die Feststellung der gemeinsamen Grenze im beiderseitigen Interesse der Nachbarn liegt, lässt sich auch dem Rechtsgedanken des § 919 Abs. 1 BGB entnehmen. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks - wie ausgeführt - von seinem Nachbarn zwar nur die Mitwirkung zur Kenntlichmachung einer unstreitigen Grenze und nicht bei der Grenzfeststellung verlangen. Gesetzgeberischer Hintergrund dieser Vorschrift ist aber, dass "die äußere Kenntlichmachung und Kenntlicherhaltung der Grenzen im gemeinschaftlichen Interesse der Nachbarn liegt und ein gemeinschaftliches Geschäft ist" (Motive III S. 268). Entsprechendes gilt für die der Kenntlichmachung vorgelagerte Feststellung einer gemeinsamen Grenze; dass die Nachbarn auch insoweit mitwirken müssen, steht jedenfalls nicht im Widerspruch zu den Regelungen des Nachbarrechts.

c) Der Anspruch kann somit mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden. Die Würdigung, ob die Voraussetzungen für den Anspruch vorliegen, kann der Senat selbst vornehmen, weil der Sachverhalt feststeht und weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Hiernach erfordert im konkreten Fall der Ausgleich der Interessen der Parteien, dass die Beklagte den Zutritt des Vermessungsingenieurs zum Zwecke der Vermessung in ihrer Wohnung duldet.

aa) Bei der Abwägung der Interessen der Parteien ist zu beachten, dass auf Seiten der Beklagten durch den gegen ihren Willen erfolgenden Zutritt des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs, der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GeoVermG M-V Aufgaben des amtlichen Vermessungswesens und damit gemäß § 1 Abs. 1 GeoVermG M-V eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt (vgl. hierzu Rn. 11), in ihre Wohnung ihr Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG betroffen ist (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1987, 2500, 2501). Die durch Art. 13 Abs. 1 GG gewährleistete Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistet dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit einen elementaren Lebensraum; in seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 151, 67 Rn. 52 mwN; vgl. auch BVerfGE 120, 274, 309 mwN). Der Kläger wiederum kann sich auf sein Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Zum Inhalt des grundgesetzlich geschützten Grundeigentums gehört insbesondere auch die Befugnis des Eigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen (vgl. BVerfGE 104, 1, 11 mwN). Die Verwirklichung dieses Rechts wird ihm erst durch die für einen Bauantrag erforderliche Vermessung möglich.

bb) Berührt eine zivilgerichtliche Entscheidung Grundrechte der Parteien, so muss das Gericht diesen Grundrechten bei Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 7, 198, 206 f.; 86, 122, 128 f.; BVerfG, WuM 2001, 111). Bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen im konkreten Fall ist einerseits die hohe Bedeutung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung zu beachten, andererseits aber auch, dass die Grenzfeststellung, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohne das Betreten der Wohnung der Beklagten nicht durchführbar ist, - wie ausgeführt - auch im objektiven Interesse der Beklagten liegt. Zudem ist das Betreten der Wohnung nur für einen kurzen Zeitraum nötig, kann vorab angekündigt werden und erfordert über die Duldung hinaus keinen weiteren Aufwand oder weiteres Tätigwerden. Der Kläger hat neben seinem objektiven Interesse an der Grenzfeststellung wegen der beabsichtigten Stellung eines Bauantrags auch einen konkreten Anlass für die Veranlassung der Grenzfeststellung. Dies führt in der Gesamtabwägung dazu, dass sich ein Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auf Duldung des Zutritts des Vermessungsingenieurs zur Durchführung der für die Grenzfeststellung erforderlichen Arbeiten ergibt.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der geltend gemachte Anspruch besteht, ist das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofes kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim Bundesgerichtshof E i n s p r u c h einlegen. Der Einspruch muss von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;

2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern.

Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

Ihr Ansprechpartner

Rechtsanwalt

Peer Reitner

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

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