Urteile - REITNER KINSCHER Rechtsanwälte Fachanwälte Notar - Essen Kettwig

BGH: Urteil vom 04. Mai 2022 - XII ZR 64/21

Rechtsgebiet: Allgemeines Zivilrecht

Verfahrensgang:
AG Papenburg, 18.12.2020 - 3 C 337/20
LG Osnabrück, 09.07.2021 - 2 S 35/21

Leitsätze

a) Während der Zeit der Schließung eines Fitnessstudios aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie war es dem Betreiber rechtlich unmöglich, dem Nutzungsberechtigten die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Für den Zeitraum der Schließung hat der Nutzungsberechtigte einen Anspruch auf Rückzahlung der entrichteten Monatsbeiträge, sofern der Betreiber von der „Gutscheinlösung“ nach Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB keinen Gebrauch gemacht hat.

b) Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

c) Bei Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung, die die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit modifiziert und in ihrem Geltungsbereich die Anwendung des § 313 BGB ausschließt.

d) Der Betreiber eines Fitnessstudios hat deshalb gegen seinen Vertragspartner keinen Anspruch auf eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage dahingehend, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit um den Zeitraum einer pandemiebedingten Schließung des Fitnessstudios verlängert wird.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 9. Juli 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten als Betreiberin eines Fitness-Studios Rückzahlung von Monatsbeiträgen, welche er in der Zeit, in der die Beklagte ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, entrichtet hat.

Die Parteien schlossen am 13. Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 € nebst einer halbjährlichen Servicepauschale. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog die Beklagte weiterhin vom Konto des Klägers ein. Eine vom Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2020 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8. Dezember 2021 wurde von der Beklagten akzeptiert. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 in Höhe von insgesamt 86,75 €. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen. Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum in Höhe von 86,75 € nebst Zinsen und zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

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I.

Das Landgericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 ff. BGB auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge in Höhe von insgesamt 86,75 €.

Da das Fitnessstudio der Beklagten aufgrund einer behördlichen Anordnung in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 geschlossen gewesen sei, habe die Beklagte in diesem Zeitraum die von ihr geschuldete Leistung - nämlich das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten zum Trainieren - nicht erfüllen können. Der Beklagten sei daher die geschuldete Leistung für diesen Zeitraum unmöglich geworden, so dass ihr Anspruch auf Entrichtung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum entfallen sei und dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits erbrachten Gegenleistung zustehe.

Ein nur vorübergehendes Leistungshindernis liege nicht vor, weil die von der Beklagten geschuldete Leistung innerhalb des Vertragszeitraums nicht nachgeholt werden könne. Die Beklagte habe ihre Leistung in jedem Monat "neu" zu erbringen, so dass innerhalb der Vertragslaufzeit kein Raum für die Nachholbarkeit der versäumten Trainingszeit bestehe. Eine Nachholbarkeit sei allenfalls insoweit denkbar, als der Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit "angehängt" werde. Dies diene jedoch nicht dem Interesse des Klägers, da dieser seine Mitgliedschaft zum Ende der Vertragslaufzeit gekündigt habe.

Die Beklagte habe auch keinen Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Vertrags in der Weise, dass der Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit kostenfrei angehängt werde. Es liege keine Störung der Geschäftsgrundlage, sondern eine Leistungsstörung vor, die vorrangig nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts zu lösen sei. Die Beklagte verlange auch keine Anpassung des Vertrags, sondern vielmehr eine Anpassung der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge bei Unmöglichkeit im Synallagma, weil die vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge nach ihrer Auffassung zu einem wirtschaftlich unzumutbaren Ergebnis führe. Ein Rückgriff auf die Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage komme aber nicht allein deshalb in Betracht, weil die Anwendung des Leistungsstörungsrechts für die Beklagte zu einer wirtschaftlich nachteiligen Lösung führe.

Dass für den vorliegenden Fall die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht zur Anwendung gelangen sollen, folge im Ergebnis auch daraus, dass der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine Regelung geschaffen habe, welche die Folgen einer behördlich angeordneten Schließung von Freizeiteinrichtungen abmildern solle.

Zudem entspreche eine Verlängerung der Vertragslaufzeit insbesondere dann nicht den Interessen des Mitglieds, wenn dieses - wie hier - die Mitgliedschaft ordentlich gekündigt habe. Eine solche Lösung würde einseitig die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten befriedigen, nicht jedoch dem Interesse des Mitglieds dienen, das weiter zur Zahlung der Mitgliedsbeiträge verpflichtet bliebe, ohne die Trainingszeiten nachholen zu können.

Ob die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers die sog. "Gutscheinlösung" des Art. 240 § 5 EGBGB entgegenhalten könne, müsse nicht entschieden werden, weil die Beklagte dem Kläger zu keinem Zeitpunkt einen entsprechenden Gutschein angeboten habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge in Höhe von insgesamt 86,75 € hat.

a) Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung bereits bewirkt, kann der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen für das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB sind vorliegend erfüllt.

aa) Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf (BGHZ 195, 195 = NJW 2013, 152 Rn. 33 mwN). So liegt der Fall hier.

bb) Die Beklagte musste zunächst aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung Nr. 4 des Landkreises Emsland "zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises Emsland" vom 17. März 2020 (vgl. Amtsblatt für den Landkreis Emsland 10/2020 vom 18. März 2020 S. 91) ihr Fitnessstudio schließen. Anschließend beruhte die Schließungsanordnung auf § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 2. April 2020 (Nds. GVBl. Nr. 7/2020 vom 3. April 2020 S. 55 ff.) und deren Verlängerungen. Erst durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. Nr. 18/2020 vom 5. Juni 2020 S. 147 ff.) durften Fitnessstudios wieder geöffnet werden.

Aufgrund dieser hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie war es der Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen (vgl. LG Freiburg COVuR 2021, 474, 476; Stöber NJW 2022, 897; Jänsch COVuR 2021, 578 f.; Köhler ZJS 2021, 108 f.)

b) Entgegen der Auffassung der Revision liegt hier kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde.

aa) Zwar musste die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen (vgl. BGHZ 174, 61 = NJW 2007, 3777 Rn. 24 mwN).

bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagten in dem hier maßgeblichen Zeitraum die von ihr geschuldete Leistung dauerhaft unmöglich geworden ist.

Wird - wie im vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung (vgl. LG Freiburg COVuR 2021, 474, 476; Jänsch COVuR 2021, 578, 579). Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (vgl. Stöber NJW 2022, 897).

cc) In diesem Zusammenhang rügt die Revision zu Unrecht, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, zunächst durch Auslegung des Fitnessstudiovertrags den konkreten Inhalt der Leistungsverpflichtung der Beklagten zu bestimmen.

(1) Die Revision meint, der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag enthalte keine ausdrückliche Regelung zum Umfang der Leistungspflicht der Beklagten, weil dort weder konkrete, vertraglich geschuldete Öffnungszeiten noch eine Mindestanzahl an Öffnungstagen pro Monat vereinbart worden seien. Deshalb ergebe sich aus der gebotenen Auslegung des streitgegenständlichen Vertrags, dass die Beklagte nicht von Vertragsbeginn bis Vertragsende ununterbrochen zur Zurverfügungstellung des Fitnessstudios verpflichtet gewesen sei, und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Öffnung des Fitnessstudios eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstelle. Der Vertrag weise bezüglich der Öffnungszeiten zudem eine Regelungslücke auf, weshalb das Berufungsgericht eine ergänzende Vertragsauslegung hätte vornehmen müssen. Danach hätten sich die Vertragsparteien bei Abschluss des Mitgliedsvertrags redlicherweise dahingehend geeinigt, dass die Beklagte entsprechend § 315 Abs. 1 BGB berechtigt sein sollte, ihr Fitnessstudio entsprechend der Billigkeit für einen begrenzten Zeitraum zu schließen, und dem Kläger im Gegenzug ein Recht auf Nachholung der verpassten Trainingszeit eingeräumt werde. Dieses Bestimmungsrecht habe die Beklagte vorliegend auch nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB ausgeübt, indem sie bestimmt habe, dass der Kläger die verlorene Trainingszeit nach dem eigentlichen Vertragsende nachholen könne.

(2) Dem kann nicht gefolgt werden.

(a) Zwar enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag tatsächlich keine ausdrückliche Regelung zum Umfang der Leistungspflicht der Beklagten. Es ist darin lediglich von einer Mitgliedschaft des Klägers für 24 Monate und einem "Trainingsbeginn" die Rede. Eine Verpflichtung zur ununterbrochenen Zurverfügungstellung des Fitnessstudios ist weder in dem Fitnessstudiovertrag noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausdrücklich vorgesehen. Nach Ziffer 2.1 der für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die Beklagte jedoch dazu verpflichtet, dem Kläger die Nutzung ihres Fitnessstudios "während der Öffnungszeiten" zu ermöglichen. Daher ist der Vertrag dahingehend auszulegen, dass der Kunde das Fitnessstudio während der ihm bei Vertragsschluss bekannten regelmäßigen Öffnungszeiten nutzen kann und die Beklagte jedenfalls nicht dazu berechtigt ist, das Fitnessstudio zu diesen Zeiten und erst recht nicht über mehrere Monate hinweg vollständig zu schließen. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil hierzu keine weiteren Feststellungen zu treffen sind.

(b) Entgegen der Auffassung der Revision weist der Vertrag daher auch keine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden müsste. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für einen bestimmten Gesichtspunkt keine ausdrückliche Regelung enthält, besagt noch nicht, dass er insoweit unvollständig ist. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde (Senatsurteil BGHZ 200, 133 = NJW 2014, 1521 Rn. 17 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zudem darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhaltes führen (Senatsurteil BGHZ 200, 133 = NJW 2014, 1521 Rn. 17 mwN). Dies wäre jedoch der Fall, wenn der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung das von der Beklagten angenommene einseitige Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt würde.

2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.

a) Zwar wird diese Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten (so etwa AG Gelnhausen Urteil vom 24. Juni 2021 - 53 C 77/21 - juris; AG Zeitz Urteil vom 1. Dezember 2020 - 4 C 112/20 - juris; AG Paderborn COVuR 2021, 549 f.; AG Minden Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 17/21 - BeckRS 2021, 28556; AG Verden Urteil vom 12. Februar 2021 - 2 C 384/20 - BeckRS 2021, 28813; AG Oldenburg Urteil vom 16. Juni 2021 - 7 C 7305/20 - BeckRS 2021, 28554; AG Kaufbeuren Urteil vom 19. Mai 2021 - 2 C 223/21 - BeckRS 2021, 28874).

b) Diese Rechtsprechung verkennt jedoch bereits das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt (vgl. BGH Urteil vom 17. Februar 1995 - V ZR 267/93 - NJW-RR 1995, 853, 854; BGHZ 191, 139 = NJW 2012, 373 Rn. 12). Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist (vgl. BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. Februar 2022] § 313 Rn. 20; BeckOGK/Martens [Stand: 1. April 2022] BGB § 313 Rn. 230; MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 155; MünchKommBGB/Ernst 8. Aufl. § 275 Rn. 19).

c) Im vorliegenden Fall war es der Beklagten aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in dem streitgegenständlichen Zeitraum unmöglich, dem Kläger die vertragsgemäße Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren. Dieser Fall der rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung wird abschließend von den speziellen Regelungen des schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts erfasst, indem die Beklagte nach § 275 Abs. 1 BGB von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden ist und sie gleichzeitig ihren Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verloren hat. Eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist daneben nicht möglich. Denn Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts ist aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind.

Das Berufungsgericht weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die von der Beklagten begehrte Anpassung des Vertrags im Ergebnis nicht darauf ausgerichtet wäre, den Vertragsinhalt den veränderten Umständen aufgrund der COVID-19-Pandemie anzupassen, sondern darauf, die für sie wirtschaftlich nachteiligen Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit zu korrigieren. Dies ist jedoch nicht der Zweck der Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage.

d) Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Folgen der Unmöglichkeit modifiziert und im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.

aa) Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Vertragsstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Solche Regelungen schließen in ihrem Anwendungsbereich regelmäßig einen Rückgriff auf § 313 BGB aus (vgl. MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 138 f.; BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. Februar 2022] § 313 Rn. 13; BeckOGK/Martens [Stand: 1. April 2022] BGB § 313 Rn. 165 f.; Grüneberg/Grüneberg BGB 82. Aufl. § 313 Rn. 16; vgl. auch Senatsurteil vom 6. März 2002 - XII ZR 133/00 - NJW 2002, 2098, 2100; BGHZ 40, 336 = NJW 1964, 861). In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Gefahr einer bestimmten Vertragsstörung erkannt hat und mit der gesetzlichen Regelung für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten sorgen wollte. Wäre in diesen Fällen daneben auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage möglich, bestünde die Gefahr, dass die gesetzgeberische Wertung umgangen wird (vgl. MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 139). Daher kann in diesen Fällen auf § 313 BGB nur dann zurückgegriffen werden, wenn der Anwendungsbereich der speziellen Vorschrift im Einzelfall nicht berührt ist (BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. Februar 2022] § 313 Rn. 13; BeckOGK/Martens [Stand: 1. April 2022] BGB § 313 Rn. 165).

bb) Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit modifiziert und in ihrem Geltungsbereich die Anwendung des § 313 BGB ausschließt (vgl. BeckOGK/Preisser [Stand: 1. April 2022] EGBGB Art. 240 § 5 Rn. 45; BeckOGK/Martens [Stand: 1. April 2022] BGB § 313 Rn. 240.1; MünchKommBGB/Busche 8. Aufl. Art. 240 § 5 EGBGB Rn. 43; Jänsch COVuR 2021, 578, 581).

Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Da der Gesetzgeber zutreffend davon ausging, dass die Inhaber der Eintrittskarten und Nutzungsberechtigungen gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB berechtigt sind, die Erstattung des Eintrittspreises oder Entgelts von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber zu verlangen, befürchtete er bei diesen einen erheblichen Liquiditätsabfluss, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich zu einer existenzbedrohenden Situation hätte führen können (BT-Drucks. 19/18697 S. 1 und 5). Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben neben den nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland voraussichtlich auch dazu führen würden, dass viele Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden (BT-Drucks. 19/18697 S. 5).

Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen waren, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht (BT-Drucks. 19/18697 S. 5).

Bei der Ausgestaltung dieser Regelung hatte der Gesetzgeber aber nicht nur die Interessen der Veranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen im Blick. Da durch die Gutscheinlösung und die damit verbundene gesetzliche Ersetzungsbefugnis (vgl. MünchKommBGB/Busche 8. Aufl. Art. 240 § 5 EGBGB Rn. 28; Jänsch COVuR 2021, 578, 579) für die Veranstalter und Betreiber auch der Rückzahlungsanspruch des Inhabers einer Eintrittskarte oder einer sonstigen Teilnahme- oder Nutzungsberechtigung aus § 326 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB modifiziert wurde, enthält Art. 240 § 5 Abs. 5 EGBGB eine Unzumutbarkeitsregelung (vgl. BT-Drucks. 19/18697 S. 8 f.). Danach kann der Inhaber eines Gutscheins die Auszahlung des Werts verlangen, wenn der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist (Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 1 EGBGB) oder er den Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst hat (Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 2 EGBGB).

Durch diese Gutscheinlösung hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Zwar bleibt es den Vertragsparteien trotz dieser Regelung unbenommen, eine anderweitige vertragliche Vereinbarung zu schließen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage findet daneben jedoch nicht statt. Könnte der Betreiber einer Freizeiteinrichtung nach § 313 Abs. 1 BGB von seinem Kunden verlangen, dass die Zeit einer Betriebsschließung an die vertraglich vereinbarte Vertragslaufzeit angehängt wird, würde das vom Gesetzgeber mit der Gutscheinlösung verfolgte Regelungskonzept umgangen (so auch Jänsch COVuR 2021, 578, 581).

Dass nach Auffassung des Gesetzgebers Art. 240 § 5 EGBGB in seinem Anwendungsbereich eine abschließende Regelung darstellen und daneben ein Rückgriff auf § 313 BGB ausgeschlossen sein soll, lässt sich schließlich auch daraus entnehmen, dass der Gesetzgeber in Art. 240 § 7 EGBGB für Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, ausdrücklich klargestellt hat, dass § 313 BGB anwendbar ist, wenn die Räumlichkeiten aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Mieter oder Pächter nicht oder nur eingeschränkt nutzbar sind. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in Art. 240 § 5 EGBGB kann deshalb geschlossen werden, dass der Gesetzgeber für Verträge im Bereich von Freizeitveranstaltungen und -einrichtungen die Anwendung des § 313 BGB als ausgeschlossen angesehen hat (vgl. BeckOGK/Preisser [Stand: 1. April 2022] EGBGB Art. 240 § 5 Rn. 45; Jänsch COVuR 2021, 578, 581).

cc) Danach scheidet ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage auch deshalb aus, weil vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen des vorrangig anwendbaren Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB erfüllt sind.

Der streitgegenständliche Fitnessstudiovertrag ist vom sachlichen und die Beklagte als Inhaberin des Fitnessstudios vom persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst (vgl. MünchKommBGB/Busche 8. Aufl. Art. 240 § 5 EGBGB Rn. 9 und 11; vgl. auch BT-Drucks. 19/18697 S. 5). Da der Vertrag vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurde, ist auch der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift gegeben. Die Beklagte wäre daher berechtigt gewesen, dem Kläger statt der Erstattung des Entgelts für die Zeit der Schließung des Fitnessstudios einen entsprechenden Gutschein zu übergeben. Von dieser Möglichkeit hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht. Nach den getroffenen Feststellungen hat sie dem Kläger lediglich eine "Gutschrift über Trainingszeit" ausgestellt, die den Anforderungen nach Art. 240 § 5 Abs. 3 und 4 EGBGB nicht entspricht. Der Aufforderung des Klägers, ihm einen Gutschein über den bereits eingezogenen Mitgliedsbeitrag auszustellen, kam die Beklagte hingegen nicht nach. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage dahingehend, dass der Zeitraum der Schließung an die vertraglich vereinbarte Laufzeit des Vertrags angehängt wird, kann die Beklagte daher nicht verlangen.

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